«Ich gehöre ins Palace»
Peter Wyss ist eine Legende in der Schweizer Kochgeschichte. Er leitet seit 35 Jahren die Küche des renommierten Palace Hotel Gstaad und kocht in der Zwischensaison in den Chalets berühmter Wirtschafts-, Film- und Politikgrössen.
Salz&Pfeffer: Peter Wyss, am Sonntag, den 19. September haben Sie das Hotel Palace für die Zwischensaison geschlossen. Was geschieht hinter den Mauern, wenn die Som- mersaison zu Ende geht?
Das ganze Hotel wird von hundert auf null hinuntergefahren. Am Sonntag und Montag haben wir geputzt wie die Wilden. Wir haben uns dieses Jahr selbst etwas unter Druck gesetzt, weil wir die zweitägige Brigadenreise bereits am Dienstag antreten wollten. Wir machen jedes Jahr eine Reise mit dem Küchen- und Werterhaltungsteam. Sie ist eine Mischung aus Verabschiedung und Weiterbildung und wird vom Hotel unterstützt. Dieses Jahr besuchten wir die Lachsräucherei Balik im Toggenburg, Sepp Dähler auf seiner Kabier-Farm im Appenzellerland sowie einen Molekular-Kochkurs bei René Widmer.
Das Hotel bleibt bis am 17. Dezember geschlossen und trotzdem geht es hier zu wie im Bienenhaus. Welche Arbeiten stehen bis zur Eröffnung an?
Dieses Jahr werden das Hauptrestaurant sowie einige Hotelzimmer renoviert. Ich persönlich werde eventuell noch ein paar Gäste in ihren Chalets bekochen, unter anderen die Familie Polanski. Danach mache ich nochVorbereitungen, berechne die Karten neu und besichtige neue Restaurant-Konzepte.
Sie bekochen Promis privat?
Klar. Es gibt immer wieder Gäste, die in der Zwischensaison ihre Ferien in einem Chalet verbringen und wünschen, dass ich zu ihnen kochen komme.Wenn es geht, dann mache ich das. Das sind Dinge, die zu meiner Arbeit gehören.
Für Ihren Stammkunden, die Familie Latsis, fliegen Sie für solche Kochdienste jeweils bis nach Griechenland. Hat sich das bis heute eingebürgert?
Ich lernte die Familie Latsis vor etwa 25 Jahren im Hotel Palace kennen. Sie fragte an, ob ich nach Griechenland kochen käme, und ich sagte gerne zu. Solche Gelegenheiten sehe ich jeweils als eine Art Weiterbildung, da ich im Ausland andere Restaurants besuchen kann. Priorität hat aber immer das Hotel Palace. Alles andere nebenher wären eigentlich meine Ferien, sozusagen.An stelle meiner Ferien gehe ich mich weiterbilden. Ich kann nicht untätig bleiben und besuche sogar viele schöne Restaurants, wenn ich mit meiner Frau wegfahre.
Wie garantieren Sie Qualität?
Wir beziehen viele Produkte aus der Region. Während der Sommersaison erhielten wir gegen 100 Kilo Steinpilze aus der Region. Diese haben wir sofort verarbeitet und teilweise eingefroren, damit ich sie im Winter mit gutem Gewissen verbrauchen kann. Ein solches Produkt ist der Hammer. Auch Rind- und Kalbfleisch beziehen wir zu einem grossen Teil von hier. Wir kaufen das Simmenthaler mit dem Qualitätslabel «Pur». Da wissen wir, woher es kommt.
Wird die Qualität des Rohproduktes vom Gast überhaupt geschätzt?
Generell schon.Aber manchmal stört sich ein Gast daran, dass der Steinbutt mit 78 oder 85 Franken pro Portion etwas zu teuer ist. Wenn dieser Fall eintritt, erkläre ich ihm, dass der Fisch Wildfang ist, und zeige unter Umständen auch einmal den Beleg, damit er weiss, wieviel ein solches Rohprodukt eigentlich kostet. Sie arbeiten seit bald 70 Saisons im Hotel Palace.
Was hält Sie hier?
Erstens ist es die Region, die mich fasziniert. Zweitens ist es die Kameradschaft im Team, die immer gut ist. Sei das mit Wolfgang Weissert, der lange hier war, oder aktuell mit Hugo Weibel, mit dem ich bald zwanzig Jahre zusammenarbeite.Wir haben uns ge- funden. Ich vergleiche das mit einer Ehe. Wenn man sich einmal wirklich gefunden hat und Freude an der Arbeit und an den Kollegen hat, dann ist es doch toll. Klar, Knatsch gibt es immer, logisch. Drittens habe ich ein sehr gutes Verhält nis zur Besitzerfamilie Scherz, die mir als jungem Koch ein grosses Vertrauen schenkte, als sie mir die Stelle als Küchenchef übergab.
Sie sind weit herum bekannt und hatten in all den Jahren mehrere gute Jobangebote.
Sie hätten auch in Griechenland oder Paris arbeiten können. Warum haben Sie nie angenommen?
Mir gefällt es hier. Man muss nicht immer darüber nachdenken, was auch noch hätte sein können. Als ich 1980 Mohammed Al-Fayed kennenlernte, wollte er mich als Küchenchef im Ritz in Paris anheuern. Ich arbeitete fünf Wochen lang dort, lehnte den Job aber schliesslich ab.
Gefiel es Ihnen nicht?
Es gefiel mir schon.Aber ich gehöre ins Palace.
Nach der Zwischensaison fahren Sie das gesamte Hotel von null wieder auf hundert hoch. Beginnen Sie mit allem von vorne?
Ja, denn die Kühl- und Gefrierschränke sind in der Zwischensaison leer, mit Ausnahme von einigen Grundbrühen, die wir eingefroren haben. Wir machen den Kalbsjus, Geflügelfond und Consommé alle selber und gefrieren Ende Saison davon etwa 200 Liter ein, damit wir vorbereitet sind, wenn die Gäste kommen. Kurz vor der Wintersaison fahren wir die ganze Küche wieder hoch und bestellen alle Rohprodukte. Mittlerweile dauert es nicht mehr lange, denn wir sind ein eingespieltes Team.
Peter Wyss ist am 14. Oktober 1950 in Sursee geboren und hat fünf Geschwister. Er absolvierte die Kochlehre im Hotel Hirschen, später arbeitete er in Ascona im Casa Berno. Danach kam er für kurze Zeit ins Hotel Palace Gstaad, bevor er zwei Jahre im Berkeley Hotel der «Savoy»-Gruppe in London arbeitete. Nach einigen Weiterbildungen, unter anderem als Fachlehrer, kam Wyss nach Gstaad zurück und begann seine Karriere in der Küche des Hotels Palace als Saucier. Ein Jahr später sprang Wyss als Küchenchef ein, da Otto Schlegel krankheitshalber die Stelle aufgeben musste. 1984 heiratete Wyss seine schottische Frau Valerie, die er zehn Jahre zuvor kennenlernte, als sie als Stagaire im Palace Hotel arbeitete. Die beiden haben zwei Söhne. Nebst seinem runden Geburtstag feiert Peter Wyss dieses Jahr seine 70. Saison im Palace Hotel Gstaad.
Erschienen in: Salz&Pfeffer