Gastgeber aus Leidenschaft
Das Restaurant Fischerstube in Weesen ist bekannt für exquisite Fischgerichte. Hanni und Dieter Frese führen das Haus seit 46 Jahren und geniessen einen hervorragenden Ruf bei Feinschmeckern. Die Fischsuppe mit Rouilles sowie der Fischgratin sind legendär. Nach einem zerstörerischen Murgang vor zwölf Jahren bauten Freses das Restaurant wieder auf und knüpften an ihren Erfolg an.
In Weesen scheint die Sonne und im Walensee spiegeln sich die verschneiten Bergspitzen. Nur wenige Schritte vom malerischen Ufer entfernt liegt das Restaurant Fischerstube. Im schmucken Haus mit der denkmalgeschützten Fassade wirten seit 46 Jahren Hanni und Dieter Frese. Für seine raffinierte und konstant hochstehende Fischküche ist das Lokal weitherum bekannt. Der aktuelle Gault-Millau-Guide rühmt die «Fischerstube» als «eines der besten Fischrestaurants zwischen Zollikon und Chur» und bewertet sie mit 14 Punkten. Im Restaurant, dem separaten Stübli sowie im Bistro finden etwa 80 Gäste Platz. Zudem lädt eine gemütliche Raucherlounge im Kellergewölbe dazu ein, den Abend bei einer feinen Zigarre gediegen ausklingen zu lassen.
Wir treffen Dieter Frese im Bistro. Die Wände sind in Aubergine gehalten. Farbenfrohe Gemälde von Fischen ziehen den Blick auf sich. Der Küchenchef bringt zwei Kaffees und setzt sich. Er sprudelt förmlich vor Energie, seine fröhlichen Augen glänzen und wenn man es nicht wüsste, man würde nicht denken, dass er bereits 73 Jahre alt ist. Während andere in seinem Alter längst die Küchenschürze an den Nagel gehängt haben, dreht Dieter Frese nochmals richtig auf. Das tut er gerne, sagt er: «Ich liebe meinen Beruf und meine Gäste, die mich motivieren, jeden Tag mein Bestes zu geben.» Man nimmt ihm die Freude ab, denn wenn er von seiner Arbeit und den Gästen spricht, gerät er förmlich ins Schwärmen.
Den Tag startet Dieter Frese immer um acht Uhr. Nach einer Tasse Kaffee geht er in die Küche und beginnt sein Tageswerk: Gemüse rüsten, Juliennes schneiden und Fond ansetzen. Seine Küche ist aufwendig und arbeitsintensiv, denn er macht jede Sauce und jeden Dipp selber, auch die Teigwaren sind hausgemacht. Einige der bekannten «Fischerstube»-Gerichte sind schon seit Jahrzehnten eine feste Konstante auf der Speisekarte, etwa die würzige Fischsuppe mit Rouilles und Toast oder der beliebte Felchengratin nach Hausart. «Meine Gäste bestellen zu etwa 99 Prozent Fischgerichte, obwohl ich auch einige Fleischstücke auf der Karte habe. Aber für den Fisch bin ich bekannt», so Frese.
Geheimnis der Fischküche
Den Meerfisch, etwa Kabeljau oder Loup de Mer, sowie Meeresfrüchte bezieht Dieter Frese beim Lieferanten Bianchi. Die Familie kennt er bereits seit vier Generationen, eine Beziehung, die sich bewährt hat. Eine ebenso persönliche und freundschaftlich wohlwollende Beziehung pflegt der Küchenchef zur Fischerin Marina Züger, die ihm Fische aus dem Obersee bringt. «Ich lege grossen Wert auf einheimischen Fisch. Das ist ein wunderbares Produkt und ist biologisch und frisch», sagt Dieter Frese.
Allerdings hat die Natur ihre Launen. Es gibt Tage, an denen zahlreiche Fische ins Netz gehen, aber es gibt auch die anderen, die schlechten Tage, an denen die Ausbeute extrem klein ist und es sich für die Fischerin kaum lohnt hinauszufahren. Trotz dieser Schwankungen bietet die «Fischerstube» keine importierten Süsswasserfische an. «Wenn ich keine Egli oder Felchen aus dem Obersee habe, dann habe ich eben keine.»
Ein Genuss der ganz besonderen Art ist der gebackene Hecht, übrigens der Lieblingsfisch des Küchenchefs. Die mundgerechten Knusperli im feinen Bierteig sind dünn geschnitten und werden auf den Punkt im heissen Öl ausgebacken. Die Köstlichkeiten sind grätenlos, mit Ausnahme eines kleinen Knochenstücks in der Grösse eines Stecknadelkopfes in der Mitte. Die anderen Gräten verbrühen im heissen Öl und lösen sich auf. Ein weiteres Geheimnis des delikaten Gerichts liegt in der Frische: «Ein Hecht darf nicht älter als zwölf Stunden sein, wenn er ausgebacken wird, sonst ver- bindet sich der Bierteig nicht mit dem Fisch», so Dieter Frese. Zudem braucht es viel Erfahrung, Geduld und Fingerspitzengefühl. «Wer Hecht ausbäckt, muss aufmerksam danebenstehen, um den Moment nicht zu verpassen, in dem man den Fisch aus dem Öl nehmen muss.»
Aller Anfang ist schwer
Wenn man den erfolgreichen Gastwirt, Küchenchef, Ehemann, Vater zweier Töchter und Grossvater von drei Enkelkindern heute sieht, würde man nicht denken, dass der Anfang seiner Geschichte alles andere als einfach war. Dieter Frese wurde 1944 in Lübeck geboren. Seinen Vater verlor er mit 13, die Mutter im Alter von 16 Jahren. Weil dem jungen Mann die Gastronomie Kost und Logis bot, entschied er sich für eine Kochlehre, die er im Restaurant Schnabbelhaus, dem Geburtshaus des Schriftstellers Thomas Mann, absolvierte. Das Lokal war damals eines der besten Restaurants zwi- schen Hamburg und Kiel. Nach der Lehrzeit zog es Frese nach Zürich, wo er als Commis im Dolder Grand Hotel arbeitete. Später heuerte er als junger Koch auf einem Frachtschiff an, zurück in der Schweiz war er unter anderem im Restaurant Mövenpick tätig. 1967 lernte er bei der Arbeit auf der Halbinsel Au seine Frau Hanni kennen. Nachdem Dieter Frese die Hotelfachschule Luzern absolviert hatte, wollte sich das junge Paar selbstständig machen. «Am liebsten wären wir nach Zürich gegangen, dafür reichte aber unser Budget nicht aus», erzählt er. Stattdessen kamen sie nach Weesen und kauften das Restaurant Fischerstube.
Der Anfang auf dem Land gestaltete sich schwierig. Hanni und Dieter Frese wurden als Neulinge nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Zudem kam das Wirtepaar mit einem für das ländliche St. Gallen zu exotischen Konzept nach Weesen und bot eine Gastronomie, die hier niemand verstand. Das erste Jahr war ein wirtschaftliches Desaster: «Es gab Tage, an denen kein einziger Gast bei uns war», erinnert sich Dieter Frese.
Dann aber wendete sich das Blatt: Die Oberschicht und die Politiker aus Glarus entdeckten das gehobene Restaurant. Bald sprach es sich herum, dass hier ein junger Koch Grosses leistete und allmählich konnten Hanni und Dieter Frese Fuss fassen und sich einen guten Ruf erarbeiten. Nach wie vor geben sich im Restaurant Fischerstube Politiker, Unternehmer und bekannte Profisportler die Klinke in die Hand. Die hochstehende Küche ist beliebt, und die Stammgäste wissen die herzliche Gastfreundschaft des Ehepaars zu schätzen. «Die Gastronomie ist ein strenges, aber schönes und dankbares Metier», sagt Hanni Frese.
Neuanfang nach Murgang
2005 traf die Fischerstube ein grosses Unglück. Im August ging eine Schlammlawine nieder und verwüstete das Restaurant sowie den gut bestückten Weinkeller. Eine umfangreiche Bordeaux-Sammlung fiel der Katastrophe zum Opfer und konnte nicht mehr gerettet werden.
Als die Mure abging, hatte es zuvor bereits drei Tage lang anhaltend geregnet. Der Dorfbach, der direkt unter dem Restaurant Fischerstube hindurch fliesst, führte viel Wasser. Trotzdem ahnte an diesem Tag niemand, was sich nachts ereignen sollte. Hanni und Dieter Frese wurden zwar hellhörig, als die ersten Steine durchs Bachbett rollten und das Haus erzittern liessen. Dennoch hätten sie sich eine derart gewaltige Katastrophe nicht ausgemalt.
An jenem Abend bewirteten die beiden noch ihre Gäste. Als jedoch die Feuerwehr zur Überwachung im Restaurant Posten bezog, schickten die Gastgeber ihre Kundschaft vorsorglich auf den Heimweg. Kurze Zeit später kam der Befehl zu evakuieren. Hanni und Dieter Frese flüchteten sich in ihr Ferienhaus nach Amden und konnten so dem Murgang entkommen.
Am nächsten Morgen bot sich ihnen ein tristes Bild: Das Restaurant war mannshoch gefüllt mit Schutt und Schlamm, die Einrichtung war zerstört. Die ersten Aufräumarbei- ten dauerten rund fünf Tage, die anschliessende Totalrenovierung zwei Jahre. «Wenn so etwas passiert, kommt man an seine Grenzen, ohne es zu merken», sagt Dieter Frese.
Seine Frau dachte in dieser Zeit an eine vorzeitige Pensionierung, er aber wollte um jeden Preis weitermachen. «Es ist nicht meine Art, einen Schicksalsschlag einfach so hinzunehmen. Ich war überzeugt, dass wir es nochmals schaffen – und habe Recht behalten.» Auf die Frage, woher er denn die Energie genommen habe, das Restaurant wieder aufzubauen, im Pensionsalter neu anzufangen und danach nochmals über zehn Jahre lang auf konstant hohem Niveau zu kochen, sagt Dieter Frese: «Ich habe grosse Freude daran, Gastgeber und Koch zu sein.» Dass er nicht mehr der Jüngste ist, gesteht er sich ein. Zum ersten Mal in seiner Karriere gönnt er sich dieses Jahr einen zweiten freien Tag in der Woche und fünf Wochen Ferien. Dies seiner Frau zuliebe. Zudem hat er nun mehr Zeit für sein Hobby, das Golfen, und für die Planung neuer Projekte und Gerichte.
Zum PDF