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Regula Burkhardt-Lehmann

Mehr Nachhaltigkeit in der Gastrobranche

Aktualisiert: 15. Dez. 2020

Eine neue Studie zeigt: Unsere Ernährung hat einen grossen Einfluss auf die #Klimaerwärmung. Die Autorinnen und Autoren fordern, Essgewohnheiten zu überdenken und #Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Diesbezüglich tut sich einiges in der Branche.


Dieser Text erschien im Chef-Sache Magazin, im Oktober 2019




29. Juli 2019. An diesem Tag hatte die Weltbevölkerung das aufgebraucht, was ihr die Natur für das ganze Jahr zur Verfügung gestellt. Das Datum des sogenannten #EarthOvershootDay hat eine Non-Profit-Organisation berechnet. Die Schweiz schneidet dabei schlecht ab, unsere Ressourcen wären bereits am 7. Mai aufgebraucht gewesen. Es besteht also Handlungsbedarf. Doch was kann die #Gastrobranche tun? Und hat die #Ernährung überhaupt einen Einfluss auf das Weltklima?


Ja, und wie!, sagt der neuste Bericht des #Weltklimarats #IPCC, der im vergangenen August vorgestellt wurde. Es ist eine der ersten Studien, die den Einfluss der Ernährung auf die Klimaerwärmung beziffert. Manuel Klarmann, Mitbegründer des Zürcher Start-ups #Eaternity, beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit diesem Thema. Er bestätigt den Bericht und sagt: «Die Ernährung ist für rund ein Drittel der von Menschen verursachten #Treibhausgasemissionen verantwortlich. Im Vergleich dazu macht der Verkehr ‹nur› rund 18 Prozent aus.»


Seine Berechnungen zeigen: «Würden wir mehr Gemüse und Getreide statt Fleisch essen, könnten wir satte 50 Prozent an Treibhausgasemissionen in diesem Sektor einsparen.»


Schnörrli ist fürs Klima besser als Filet

Besonders grosse #Emissionen entstehen durch #Waldrodung, durch Methan, das Wiederkäuer ausstossen, sowie durch die #Futtermittelproduktion für das Vieh. Deshalb gilt insbesondere rotes Fleisch als Klimaschädlich. Der Wissenschaftler unterscheidet dabei nach Fleischstücken: «Ein Filet hat einen grösseren CO2-Fussbadruck als etwa Second Cuts. Bereiten wir Innereien oder ein Schnörrli zu, haben wir eine bessere #Energiebilanz, da diese Stücke oft gar nicht erst verwertet werden.»


Wie gross ist der CO2-Fussabdruck eines Menüs?

Doch was soll man den Gästen denn künftig vorsetzen? «Es geht nicht darum, einen Vegi-Tag einzuführen», sagt Klarmann, «aber im Dialog mit den Gästen kann man beispielsweise die Fleischportionen verkleinern, eher Poulet statt Rindfleisch oder andere Alternativen anbieten.» Damit Gastronomen aber eine Entscheidungsgrundlage haben, welche Gerichte nun klimaverträglich sind, bietet Eaternity eine Software an, die den CO2-Fussabdruck von Menüs ausrechnet. Sie vergleicht Zutaten nach Gewicht und Kalorienbilanz und berücksichtigt Faktoren wie Saisonalität, Art der Produktion und Transportmittel.






 

Das sagt der Spezialbericht des Weltklimarats IPCC

Die gesamte Nahrungsmittelproduktion trägt zwischen 25 und 30 zu den durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bei. Die intensive Landwirtschaft verantwortet dabei einen grossen Teil der Emissionen, gleichzeitig steigt der Nahrungsmittelverbrauch, insbesondere der Fleischkonsum. Zudem ist das Enrnährungssystem ineffizient. Weltweit landen rund 25 bis 30 Prozent aller Lebensmittel im Abfall. Eine vielfältige Ernhärung mit weniger tierischen Produkten, dafür mit mehr Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse, Früchten und Nüssen kann den Treibhausgas-Ausstoss so reduzieren, dass das Klimaziel noch erreicht werden kann. Andere Massnahmen alleine reichen laut IPCC nicht aus. Eine einfach und günstige Methode ist etwa die Minimierung von Produktionsverlusten und die Vermeidung von Food Waste. Die Politik ist gefordert, Strategien auszuarbeiten, die über das gesamte Ernährungssystem hinweg eingesetzt wird.

 


28 Tonnen Lebensmittel gerettet

Ein Drittel aller in der Schweiz produzierten Lebensmittel gehen zwischen Feld und Teller verloren. In der Branche steigt das Bewusstsein für dieses Problem, und bereits ergreifen zahlreiche Gastronomen Massnahmen mit dem Ziel, Lebensmittelabfälle zu minimieren. Diesem Thema verschreibt sich auch Mirko Buri. Der 36-jährige Berner ist gelernter Koch sowie Restaurationsfachmann und verhindert nach eigenen Abgaben jährlich 28 Tonnen #FoodWaste. Der Pionier schlug anfänglich eine Laufbahn in der gehobenen Gastronomie ein. 2015 eröffnete er in Köniz sein Anti-Food-Waste-Restaurant Mein Küchenchef mit Ladenlokal, später kam der Lebensmittelproduktionsbetrieb Foodoo hinzu.


Sein Konzept ist durchdacht. Buri bezieht von #Biobauern Gemüse, das zwar einwandfrei schmeckt, aber aus diversen Gründen keine Abnehmer findet, und bereitet daraus mittels #Vakuumgarmethode Gerichte zu, die er im Laden verkauft. «Dank Sous-vide kann ich überschüssige Lebensmittel zu Menükomponenten verarbeiten, die sehr lange haltbar sind», so Buri. Auch Knickeier, Innereien und Second Cuts finden den Weg in seine Küche.


Suppentopf statt Mülltonne

«65 Prozent der Lebensmittelabfälle im Gastrobereich entstehen in der Küche in Form von Überproduktion», weiss Buri. Das ist eine Verschwendung, die ins Geld geht. Eine Studie der Berner Fachhochschule zeigt, dass die Vollkosten für ein Kilogramm Food-Waste 24 Franken betragen. Buri: «Die Köche wüssten eigentlich, wie sie kalkulieren müssen, kochen dann aber trotzdem zu viel, aus Angst, zu wenig zu haben.» Der Küchenchef hält sich an insgesamt 46 Massnahmen, die ihm im Berufsalltag helfen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Einige Beispiele: Er reserviert im Restaurant 350 Gramm pro Menü, damit die Teller auch wirklich leer gegessen werden. Wer will, erhält Nachschlag. Gemüseabschnitte landen nicht in der Tonne, sondern im Suppentopf, und für die Resteverwertung hat Buri eigens ein Rezeptbuch geschrieben.


Im Schnitt werden in der Schweizer Gastronomie pro serviertes Menü rund 275 Gramm Lebensmittel verschwendet. Mirka Buri beziffert mittlerweile nur noch deren 2,3 Gramm. «Eine wichtige Massnahme gegen Food-Waste ist, sich seiner Überschüsse bewusst zu werden. Wer weiss, wo und wie viel Abfall entsteht, kann Massnahmen dagegen ergreifen.»

 

Kreative Gastrobranche


Brancheninitiative

Der Verein United Against Waste hat sich zum Ziel gesetzt, Lebensmittelabfälle im Ausserhaus-Konsum zu halbieren. Die Initiative wird von 160 Mitgliedern aus der Foodbranche getragen und setzt auf ein grosses Netzwerk, um Lösungen zu verbreiten. Dazu gehören etwa Coachings und Bereitstellung von Hilfsmitteln.


Too Good To Go

Überschüsse lassen sich manchmal nicht vermeiden. Das unverkaufte aber einwandfreie Essen geht kurz vor Feierabend trotzdem noch an dankbare Abnehmer. Via App und zu einem reduzierten Preis wird es verkauft und anschliessend abgeholt.


Gegen Plastikmüll

Grosse Open Airs machens vor, doch es geht auch im Alltag: Weg von Einwegverpackungen, hin zum Mehrweggeschirr. Das Berner Start-up Recircle bietet eine saubere Geschirr-Alternative für die Ausserhaus-Verpflegung und spannt ein schweizweites Netzwerk an Betrieben, die ihre Menüs im Wiederverwendbaren Kunststoffgeschirr anbieten.

 

Ricotta aus Milchresten

Auch das Isla Coffee Berlin verschwendet keine Lebensmittel. Die Gründer Peter Duran und Philipp Reichel praktizieren eine ausgefeilte Kreislaufwirtschaft, in der altes Brot ebenso wiederverwertet wird wie die aufgeschäumte Milch, die jeweils im Kännchen zurückbleibt, weil sie nicht mehr in den Cappuccino passt. Die Gastgeber sammeln die Milchreste und stellen daraus Ricotta und Joghurt für den Brunch her. «Täglich führen wir so rund 10 bis 15 Liter Milch in den Kreislauf zurück», sagt Reichel. Sogar das Fruchtfleisch aus der Fruchtpresse landet im hausgemachten Früchtebrot, die Teeblätter werden in der Küche ein zweites Mal aufgegossen und zu Kambucha verarbeitet. Peter Duran hat Nachhaltige Wirtschaft in Utrecht studiert und bringt ein fundiertes Wissen zu diesem Thema mit. Er und Phlipp Reichel arbeiten seit rund 15 Jahren in der Gastronomie. Mit dem Isla Coffee gewannen sie 2018 den Deutschen Gastro-Grünerpreis. Adresse: Isla Coffee Berlin-Neuköln.



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